Christoph Röthlein

Strukturelle und kommunikative Grundhaltungen sind entscheidend dafür, wie Gewalt und Aggression vermieden werden kann. Deeskalation ist ein Führungsthema in eine Einrichtung. Die systematisierte Vor- und Nachbereitung erlebter Gewalt, regelhafte Schulungen und die Einbeziehung der professionellen Hilfen sind wichtige Bausteine der Prävention.
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Gewaltprävention und Deeskalation

Dies Thema ist ein systemisches Thema, da es in praktisch alle Bereiche eines Betriebes eingewirkt; also in einem Kontext zu betrachten ist.

Um dieses Thema ein wenig fassbar zu machen, beschreibe ich hier erst mal eine kleine Geschichte:
In einer Notfallaufnahme eine großen Klinik geschah es immer wieder, dass ein Getränkeautomat kaputt war. Durch deutliche Spuren von Gewalteinwirkung musste er immer wieder repariert werden.

Ein Trainer für Deeskalation wurde gebeten, die Situation zu analysieren und seine Schlussfolgerung mitzuteilen.

  • Er stellte folgendes fest:
    Patienten wurden nach Aufnahmemodalitäten in einen offenen großen Wartebereich geschickt. Sie würden aufgerufen werden.
  • Nachdem dort 15 Patienten saßen, kamen weitere dazu. Der 16. Patient wurde schon nach 10 Minuten aufgerufen. Nach weiteren 10 Minuten wurde der 10. Patient aufgerufen. Und so ging es noch einige Male weiter.
  • Die ersten fünf Patienten stellten sich nun Fragen. Der eine mit sich selbst. Der andere ging zur Aufnahme, fragte nach und erhielt den Hinweis, dass er aufgerufen würde, wenn er dran sei. Schon an anderer Stelle wurde untersucht, dass solche Situationen verschiedene emotionale Stadien durchlaufen. Zuerst wundert man sich, dann entsteht Unbehagen, dann vergleicht man sich und zu guter Letzt wird man ärgerlich.

Weil man sich aufgrund seiner Befindlichkeit ausgeliefert fühlte, kann der Ärger sich nicht bahnen oder durch Erklärung wieder abbauen.

Die ersten Patienten holen sich was zu trinken. Vielleicht klappt es mit dem Geld nicht gleich und der eine oder andere wird gegen den Getränkeautomat treten. Dies hinterlässt Spuren, die dann auch von anderen Patienten, die sich ungerecht behandelt fühlten und dies nicht ändern oder verstehen können, fortgeführt wird.

 

Der Trainer für Deeskalation stellt also fest, dass den Patienten nicht möglich ist, diese Situation nachzuvollziehen und daher auch das Verstehen behindert ist und das Gefühl der Stimmigkeit unmöglich erscheint. Es bleibt das Gefühl von schlechter Behandlung und das Gefühl persönlich gemeint zu sein.

Um diese Eskalationsdynamik zu unterbrechen richtet die Klinik folgendes ein:

  • Jeder Fachbereich dieser interdisziplinären Notfallaufnahme erhält eine Farbe über de Eingang.
  • Auf dieser Farbe steht der Fachbereich.
  • Jeder neue Patient erhält einen farbigen Karton mit wichtigen Aufkleber von ihm darin.
  • Jedem Patient wird erklärt, dass die Farbe des Kartons mit der Farbe über dem Eingang des Fachbereichs zugeordnet ist.
  • Die neuen Patienten setzen sich nun in den Wartebereich und wissen, wo ihr Eingang ist von dem aus sie aufgerufen werden.
  • Sie können nun auch nach Patienten in dem Wartebereich Ausschau halten , die einen ebenso farbigen Karton in der Hand halten.
  • Die Situation, dass andere Patienten, die nach ihnen kamen aber schon vor ihnen dran kommen und zusätzlich eine andere Farbe in der Hand halten, wird nachvollziehbar.
  • Die Kommunikation seitens der Aufnahme mit dem Hinweis der Zuordnung macht die Situation sinnhaft.

Die Folge ist also, wie sicher auch zu vermuten ist, dass der Getränkeautomat eine deutlich längere Lebenszeit hat.

 

Die Deeskalation und damit ein qualitativ hochwertiger Ablauf in der Aufnahme baut also auf einer erläuternden und kundenorientierten Kommunikation auf, die mit einer farbgebenden und hier auch gleichzeitig günstigen Orientierungshilfe einhergeht.

 

Anhand dieser Geschichte, die tatsächlich passiert ist, lässt sich sicher auch ein Transfer in andere Arbeitswelten herstellen.

  • Für Kunden aber auch für Mitarbeitende ist der Punkt der Nachvollziehbarkeit durch Transparenz und Sinnhaftigkeit ein wichtiges Merkmal, aus denen sie schließen, dass sie wahr- und ernst genommen werden.
  • Für beide ist mit einem funktionierenden Beschwerdemanagement (für Kunden) /Ideenmanagement (für Mitarbeitende) auch der Punkt der Mitwirkungsmöglichkeit erfüllt.
  • Dies alles muss natürlich auch mit entsprechender Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit gelebt werden. Ausschlaggebend hierfür, insbesondere für die Mitarbeitenden, ist die Art und Weise der gelebten Kultur seitens der Führungskräfte; wie auch schon in der DIN ISO beschrieben.

Dies Deeskalationsmanagement bedient sich einer systemischen Denkweise, anhand der nicht nur einfach Symptome wahrgenommen werden und eliminiert werden (nicht nur Brände und Notstände austreten), sondern anhand der Kontext wahrgenommen wird und nach einer systemischen Lösung nach Evaluation gesucht wird (zum Beispiel, dass Wasser mit zu einem Brand genommen wird oder nach einem Notstand dieser analysiert wird).

In der systemischen Denkweise bedient man sich manchmal auch des Bildes eines Mobiles. Wenn es also eine Unruhe im Mobile gibt, hat dies Auswirkung auf das ganze System. Es gilt nun also danach Ausschau zu halten, an welcher Stelle zielführende Lösungen einzuführen sind, um das Mobile wieder in das Gleichgewicht zu bringen.

Wichtig ist es hierbei, die bisherige Vorgehensweise wertzuschätzen, jedoch aber auch festzustellen, dass sie ein zuvor festgelegtes Ziel eines Betriebes so nicht erreicht werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen ist es hier nötig einen neuen Lösungsweg zu beschreiten; wirksam zu werden.